Hallo Tom,
ich glaube, dass der Annahmeverzug hier tatsächlich das zentrale Problem ist.
Darauf deutet der konkrete Verweis hin, dass die 2 Paletten Fliesen zunächst
leicht fahrflässig zerstört wurden und der Unfall
unverschuldet (Achtung, Falle!) war --> Hinweis auf Haftungsfragen
Am besten prüfen wir den Gläubigerverzug/ Annahmeverzug einfach Mal anhand des Lehrbuchs "Allgemeines Schuldrecht" von Brox/ Walker durch. Das mache ich jetzt mal.
(
UB Hagen: Off-Campus Zugang zu lizenzierten Angeboten der Universitätsbibliothek Hagen)
Grundsätzliches:
"Die Erfüllung der Verbindlichkeit kann nicht nur durch ein Verhalten des Schuldners, sondern auch des Gläubigers gestört werden; denn der Schuldner ist in den weitaus meisten Fällen nicht in der Lage, seine Leistung ohne Mitwirkung des Gläubigers zu erbringen. Der Gläubiger ist nicht zur Mitwirkung verpflichtet (Ausnahmen: §§ 433 Abs. 2, 640), so dass der Schuldner gegen ihn keinen klagbaren Anspruch auf Mitwirkung hat, dessen Verletzung Schadensersatzansprüche auslösen könnte.
Die unterlassene Mitwirkung befreit den Schuldner auch nicht von seiner Leistungspflicht. Nimmt der Gläubiger die Leistung nicht an oder unterlässt er eine sonstige zur Erfüllung erforderliche Mitwirkungshandlung, gerät er aber in Gläubigerverzug (= Annahmeverzug). Das Gesetz hat die Voraussetzungen und die Folgen des Gläubigerverzugs in den §§ 293 ff. geregelt."
I. Voraussetzungen
1. Leistungsberechtigung (+)
Der Schuldner muss zur Leistung
berechtigt sein, dh die Leistung muss erfüllbar sein (vgl. § 271 Abs. 2). Es wurde zwischen V und K eine Leistungszeit vereinbart. Unter Leistungszeit versteht man einmal den Zeitpunkt, in dem der Schuldner die Leistung erbringen darf
, und zum anderen den Zeitpunkt der Fälligkeit, in dem also der Schuldner spätestens leisten muss
. Gemäß Kaufvertrag wurde die Leistungszeit "nach vorheriger Ankündigung Ende November" vereinbart. Per Brief hat V die Lieferung zum 28.11. per Brief angekündigt, Zugang war irgendwann vor oder am 07.11. (= angemessene Ankündigungszeit). Bestätigung des Lieferzeitpunktes durch K an V meiner Meinung nach entbehrlich, da nach Verkehrssitte nicht zu erwarten (§ 151 S. 1 ) --> V ist berechtigt, die Leistung am 28.11. zu bewirken.
2. Leistungsvermögen (+)
K muss ferner zur Leistung zur Leistungszeit
bereit und
imstande sein (§ 297). --> Sachverhalt gibt nichts gegenteiliges her
3. Leistungsangebot (+)
K muss dem V ein Angebot der Leistung gemacht haben (§ 293) und dieses Angebot der Leistung muss er so, wie sie zu bewirken ist,
tatsächlich angeboten haben (§ 294), dh am rechten Ort, zur rechten Zeit, in rechter Beschaffenheit und Vollständigkeit.
rechter Ort: bei K zuhause --> Bringschuld (+)
rechte Zeit: zum vertraglich bestimmten Leistungszeitpunkt (+)
rechte Beschaffenheit: A, Verrichtungsgehilfe des K, erscheint bei K mit einem LKW, in dem sich die vereinbarten Fliesen befinden (+)
vollständig: A, Verrichtungsgehilfe des K, hat die vereinbarte Menge Fliesen dabei (+)
--> Das Leistungsangebot des K ist so beschaffen, dass der K nichts weiter zu tun braucht, als zuzugreifen und die angebotene Leistung anzunehmen.
4. Nichtannahme der Leistung (+)
Der Annahmeverzug setzt schließlich voraus, dass der Gläubiger das Leistungsangebot des Schuldners nicht angenommen hat (§ 293). Auf ein Verschulden des Gläubigers kommt es hier – anders als beim Schuldnerverzug (§§ 286 Abs. 4, 280 Abs. 1 S. 2) – nicht an.
Der Gläubiger gerät jedoch auch dann in Annahmeverzug, wenn er zwar die Leistung annehmen, aber die geforderte und fällige Gegenleistung nicht anbietet (§ 298). Der K schaut zunächst dem A dabei zu, wie er die Fliesen in den Vorgarten des K lädt, was darauf hindeutet, dass er die Leistung annehmen will, sagt dem A aber etwas später, dass er die Zahlung, die vertraglich zum Leistungszeitpunkt vereinbart war, nicht leisten kann, da er kein Bargeld und keine Girocard im Haus habe.
Mithin bietet er die vereinbarte Gegenleistung nicht an und ist gem. § 298 BGB ab diesem Zeitpunkt in Gläubigerverzug.
II. Wirkungen
1. Keine Leistungsbefreiung
Der Gläubigerverzug führt ebenso wie der Schuldnerverzug nicht zu einer Befreiung des Schuldners von seiner Leistungspflicht. Der V schuldet dem K also nach wie vor die vereinbarten Fliesen und der K schuldet dem V den Kaufpreis.
2. Haftungserleichtung
Der Gläubigerverzug bewirkt aber nach § 300 Abs. 1 insofern eine Haftungserleichterung, als der Schuldner während dieser Zeit nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit einzustehen hat (andere Bestimmung iSd § 276 Abs. 1 S. 1, 2. Hs.). Ebenso wie bei zufälligem Untergang der Sache haftet der Schuldner auch dann nicht auf Schadensersatz, wenn der Untergang auf seinem leicht fahrlässigen Verhalten beruht (§ 280 Abs. 1 S. 2;)
2.1. Haftungserleichterung für die Fliesen, die in Ks Vorgarten zu Bruch gehen
Nach der Mitteilung, dass K nicht zu leisten imstande ist (er also in Gläubigerverzug geraten ist), beginnt A die Fliesen wieder einzuladen und dabei gehen sie ihm "aus leichter Fahrlässigkeit" zu Bruch und werden unmöglich. Es besteht also für V keine grobe Fahrlässigkeit und kein Vorsatz bei der Unmöglichkeit dieser 2 Paletten aufgrund der Haftungserleichterung aus § 300 I. Der V muss für diesen zufälligen Untergang der Fliesen nicht haften und behält gemäß § 326 II S. 1 den Anspruch auf die Gegenleistung.
2.2 Haftungserleichterung für die Fliesen, die beim Autounfall zu Bruch gehen
Nachdem A die restlichen Fliesen verladen hat, ruft er erneut bei V an und fragt, wie er mit den Fliesen (den übrig geblieben 18 Paletten) nun verfahren soll. Er erhält die Anweisung, die Fliesen zu X zu fahren sie diesem zu übereignen.
a) Konkretisierte Gattungsschuld
Bei der Lieferung der Fliesen an K am 28.11. hat es sich um eine Bringschuld gehandelt. Der K hat aus seinem großen Sortiment an Fliesen der Serie "Creation" die Anzahl von 100 qm ausgesondert und auf den LKW verladen. Ab diesem Zeitpunkt verwandelte sich die Gattungsschuld durch Konkretisierung in eine Stückschuld. Gemäß § 243 II beschränkt sich das Schuldverhältnis zwischen V und K also auf diese 100 qm Fliesen im LKW. Aufgrund des Gläubigerverzugs besteht demnach auch für die noch übrigen 90 qm eine Haftungserleichterung gem. 300 I. Der V hat nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten.
b) Unmöglichkeit der Leistung über die restlichen 90 qm Fliesen durch Autounfall
Auf dem Weg zum Kunden X gerät der A in einen unverschuldeten Autounfall, bei dem alle Fliesen zerstört werden. In Bezug auf den Autounfall lässt sich dem Sachverhalt unstreitig entnehmen, dass A (und damit V) den Unfall weder fahrlässig, noch grob fahrlässig noch vorsätzlich zu vertreten haben. Es greift also auch hier der § 300 I während des Gläubigerverzugs. Der V muss für diesen zufälligen Untergang der Fliesen nicht haften und behält gemäß § 326 II S. 1 den Anspruch auf die Gegenleistung.
c) Unmöglichkeit der Leistung über die restlichen 90 qm Fliesen durch Übertragung an X
Allerdings ist fraglich, ob V die Besitz- und Eigentumsübertragung der 90 qm Fliesen an den V noch möglich war, da der V den A bereits vor dem Unfall angewiesen hat, diese Sache dem X zu übertragen und der Unfall nicht auf dem Rückweg in die Firma geschah, sondern auf dem Weg zum X. Wären die Fliesen nicht zerstört wurden, wäre auch ohne die Zerstörung eine Unmöglichkeit der Leistung über die nach § 243 II beschränkte Sache eingetreten. Die Fliesen hätten sich nicht mehr im Besitz des V befunden und hätten folglich auch nicht an den K übereignet werden können. Gemäß § 276 I 1 hat V Vorsatz und jede Fahrlässigkeit zu vertreten, die die Leistung unmöglich macht. Da K sich in Gläubigerverzug befand, bestand nach § 300 I eine Haftungserleichterung nur für leichte Fahrlässigkeit. Der V hat sich vorsätzlich dazu entschieden, die Fliesen dem X zu übereignen und hat damit die nachträgliche Unmöglichkeit der Leistung zu vertreten.
So, und jetzt müssen wir uns die Rechtsfolgen dieser Unmöglichkeit anschauen. Da sich das Schuldverhältnis zwischen V und K gem. § 243 II BGB lediglich auf die 100 qm Fliesen im LKW beschränkt haben und diese Fliesen allesamt zerstört sind, besteht kein Anspruch auf Übereignung dieser Fliesen mehr. Dieser Anspruch ist untergegangen. Allerdings muss er nach § 326 I die 90 qm auch nicht zahlen, sondern nach §§ 326 II, 293, 298 i.V.m. 433 I lediglich die 10 qm, die im Garten kaputt gegangen sind. Aber das ist ja nicht die Fallfrage.
Ich sehe hier irgendwie keine Möglichkeit, wie man von dem Problem der Konkretisierung nach § 245 II loskommen soll. Wir dürfen ja
laut Bearbeitervermerk keine Verbraucherrecht anwenden und somit keine Nacherfüllung mittels vergleichbarer Fliesen aus dem Lager des V.
F
ür mich lautet hier die Antwort, dass A keinen Anspruch auf Lieferung von 100 qm Fliesen der Serie Creation hat.
Ich finde es übrigens interessant, dass mein Ergebnis jetzt ein anderes als heute Morgen ist 😅