Die letzte Klausur ist erfolgreich bestanden, Seminar und Bachelor-Arbeit wurden mir angerechnet - und damit (ich glaube es selber kaum) BIN ICH FERTIG.
Auch, wenn das Zeugnis noch nicht vor mir liegt, kann ich es kaum erwarten mich hier zu verewigen.
Welchen Studiengang hast Du erfolgreich absolviert?
Wirtschaftsinformatik Bachelor
Wie lange hast Du benötigt?
Eingeschrieben WS13/14, ernsthaft begonnen SS14 bis SS19, also 5 Jahre (ohne BA).
Warum hast Du Dein Studium begonnen?
Ich steckte in einer ernsten Krise - persönlich, beruflich, gesundheitlich . Weil der Versuch einer beruflichen Neuorientierung auch nach 100 Bewerbungen nicht glückte (O-Ton aus einem Bewerbungsgespräch "Sie sind kompetent, Sie sind nett - aber aus Ihrer alten Branche nehmen wir prinzipiell keine Leute, die sind einfach auf."), brauchte ich "etwas". Egal was, einfach in meinem Kopf etwas neues beginnen. Lernen hat mir schon immer Spaß gemacht, da lag die Idee zu einer neuen Ausbildung nahe. Und weil ich finanziell nicht noch einmal an die Präsenzuni zurück konnte, bin ich auf Hagen gestoßen. Wie immer konnte ich mich nicht für ein Fach entscheiden und bin in einer Kombi gelandet.
Hat Dich das Studium persönlich weitergebracht?
Ja, absolut. Es hat mir in der Krise sehr viel Halt gegeben, weil es einfach nur MEINS war. Niemand hat mich gezwungen, niemand hat etwas von mir erwartet, einfach meins. Mit allen Höhen und Tiefen. Gerade die Tiefen des Studiums habe ich mich dabei wieder weit nach vorne gebracht. Und es hat meine Neugierde auf die Welt und Wissen neu entfacht.
Daran, dass ich trotz allem ein fauler Sack bin und zwar Lernen liebe, aber Prüfungen hasse, hat es nichts ändern können. Ich lerne noch immer zu spät und zu wenig.
Welche beruflichen Perspektiven erwartest Du Dir durch das Studium?
Das kann ich nicht genau sagen, weil das nie mein primärer Antrieb war.
Grundsätzlich hat es mich aber tatsächlich schon aus meinem alten Job heraus gebracht - ich bin in meiner Firma aus dem Projektmanagement in die IT gewechselt. Die Überstunden sind nicht weniger geworden, im Gegenteil. Aber Arbeiten macht wieder Spaß! Wenn jetzt noch ein Job mit planbaren Arbeitszeiten daher käme...
Falls Du den Bachelor abgeschlossen hast, folgt nun der Master bzw. warum nicht?
Ja, vielleicht. Tatsächlich werde ich in den Master Praktische Informatik wechseln. Ob ich ihn wirklich durchziehe und in welchem Tempo, das weiß ich noch nicht. Aber das Leben ohne Hagen wäre so leer und öde....
Welche Dinge kamen während des Studiums zu kurz bzw. auf was musstest Du verzichten?
Sonnenlicht. Freunde. Hobbies. Kochen. Schatzi hatte zeitweise ordentlich zu leiden und besteht jetzt auf ausgiebigen Urlaub.
Könntest Du die Zeit zurückdrehen, würdest Du das Studium wieder beginnen?
Ja!
Was würdest Du im Nachhinein anders machen?
Ich würde mit einem Mathe-Brückenkurs beginnen. Mich besser vorbereiten und mir vor dem Studium meine Schwächen bewusster machen.
Und mir besser im Klaren darüber sein, dass die Wirtschaftsmodule zwar lehrreich waren, mir aber nicht am Herzen liegen. Das hätte die ersten Semester deutlich entspannter gemacht.
Zwar die Einstiegsmodule zu WiWi und WiInf direkt belegen / durcharbeiten, die Klausuren dazu aber ganz am Ende schreiben.
Was möchtest Du sonst noch loswerden?
Das geht an die, die ebenfalls mit dem zu kämpfen habe, was man im Englischen unter "invisible illness" kennt: Es geht, wirklich. Traut euch!
Ich lebe seid der Grundschule mit Depressionen, Ängsten und einem hohen Grad Introversion. Dazu kommen noch ein paar chronische, physische Krankheiten wie Arthrose aka Schmerzen, Asthma und Allergien. Alles dankenswerter so weit im Griff, dass ich noch nie gezwungen war Ausgleichsregelungen in Anspruch nehmen zu müssen. Hin und wieder nah dran, wenn die Hand in einer Klausur so stark verkrampft, dass man sie mit der zweiten Hand führen muss, während die Prüfungspanik einen Blackout beschert. Aber es geht: Meine Noten sind nicht die besten, aber ich habe jede Klausur im ersten Versuch bestanden und damit mein persönliches Ziel erreicht. Und Hagen ist hier ein wirklich gutes Konzept. Ich habe schon in meinem ersten Studium die Regelstudienzeit massiv überzogen - und da war das schwer auszuhalten, weil meine Kommilitonen aus dem ersten Semester schon lange fort waren. In Hagen fällt es nicht so auf, weil es eh ein Kommen und Gehen ist. Und man selber viel besser sein eigenes Tempo bestimmen kann. Man ist nur sich selber und seinen eigenen Ressourcen Rechenschaft schuldig, die Uni selber lässt einen machen. Ich habe z.B. schnell gemerkt, dass ich mit dem vorgeschlagenen Teilzeit-Studienplan nicht klar komme - weder inhaltlich, noch vom Tempo. Also habe ich mir meine Module selber zusammen gestellt - mal nach Laune, mal nach Herausforderung. Und nur maximal zwei Klausuren in einem Semester gemacht, meistens sogar nur eine. Auch konnte ich nicht parallel arbeiten und lernen. Ich bin auf eine 4-Tage Woche (erst 4 x 8, heute 4 x 10 (also, bezahlt, nicht real *feix*)), so dass ich den Freitag und einen halben Samstag für die Uni hatte - und trotzdem ausreichend Ruhezeiten am Rest-Samstag und Sonntag. Schaut, was für euch geht. Und sorgt dafür, dass der Arbeitgeber mitspielt. Holt eure Kollegen und Vorgesetzten ins Boot - auch wenn die Firma nicht aktiv das Studium "bestimmt", hilft es, wenn das Team euch in den Klausurphasen den Rücken freihält. Und ganz wichtig: Bestechung und Geschenke an die Lieben können nicht schaden!
Lasst euch nicht zu sehr beeindrucken, wenn andere in der Lage sind ein anderes Pensum an den Tag zu legen. Letztendlich ist es schnurz, schließlich bewegt sich keiner von denen in euren Schuhen fort. Haltet euch an euch selber und verliert nie die Freude am Lernen und an der Herausforderung. Dann ist das Fernstudium einfach toll! Ihr schafft das!
Und nutzt das Forum hier!
Ich weiß nicht, ob ich ohne Euch alle hier im Forum in dieser Form durchgehalten hätte! Auch, wenn ich nicht viel zu sagen hatte, von Euch zu lesen und von Euren Erfahrungen zu profitieren, war manchmal schon genug.
